Mit dem exponentiellen Datenwachstum in der Industrie 4.0 stoßen herkömmliche elektronische Chips an physikalische Grenzen – Wärme, Energieverbrauch, Latenz. In diesem Zusammenhang rücken optische Computer, die Informationen mit Licht statt mit Elektrizität verarbeiten, zunehmend in den Fokus.
Was sind optische Computer?
Ein optischer Computer nutzt Photonen anstelle von Elektronen für Rechenoperationen. Transistoren und elektrische Schaltungen werden durch optische Bauelemente ersetzt, die Lichtsignale manipulieren – Laser, Lichtwellenleiter, Modulatoren usw. Photonen bewegen sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit und erzeugen im Gegensatz zu Elektronen kaum Wärme.
Technologische Grundlagen
Das Herzstück dieser Revolution bilden photonic integrated circuits (PICs), die Laser, Modulatoren, Detektoren und Wellenleiter auf einem Chip vereinen. Zu den Schlüsselkomponenten zählen VCSELs (Vertical-Cavity Surface-Emitting Lasers), die kohärente Strahlen direkt auf Silizium erzeugen, interferometrische Modulatoren, die elektrische Impulse in Phasenänderungen des Lichts umsetzen, sowie nanoskalige Wellenleiter, winzige „Glasdrähte“, in denen Photonen über optische Schalter geleitet werden.
Diese Elemente ermöglichen optische Logikgatter (AND, OR, XOR) und optische Matrixmultiplikationen – eine der rechenintensivsten Operationen neuronaler Netze. In der vorausschauenden Wartung muss eine KI gleichzeitig Vibrationen, Temperatur, Akustik und Bilddaten analysieren: Optische Parallelität erlaubt mehr Modelle in Echtzeit bei geringerem Energiebedarf.
Anwendungen in der industriellen Automatisierung
- Photonic Edge Computing – Direkt an der Maschine verarbeitet ein optischer Co-Prozessor große Datenströme (Video, 3-D-Sensoren, Lidar) und entlastet die zentrale SPS.
- Ultraschnelle Motion-Control – Geringere optische Latenz minimiert Jitter in Regelkreisen und ermöglicht präzisere, schnellere Cobots.
- KI und Bildverarbeitung – Photonische CNN-Beschleuniger erlauben Qualitätsprüfungen mit hoher Frequenz, ohne die Linie zu stoppen.
Zu überwindende Hürden
Der Weg zu einem vollständig photonischen Rechner ist noch lang. Es fehlt an nichtflüchtigem optischen Speicher: Resonatoren speichern Licht nur Mikrosekunden; höhere Dichten sind erforderlich. Die hybride Integration von Licht und Elektronik erzeugt lokale Wärme – thermische Konzepte müssen Laserleistung ableiten, ohne den Brechungsindex der Wellenleiter zu stören. Zudem braucht es ausgereifte Software-Toolchains, die Algorithmen automatisch auf optische Architekturen abbilden.
Ausblick
Erste kommerzielle optische Beschleuniger werden laut Analysten in fünf bis sieben Jahren als PCIe- oder M.2-Module in eingebetteten Industriesystemen erscheinen. Langfristig könnten rein photonische Controller entstehen, bei denen Logik, Speicher und Interconnects vollständig auf Licht basieren. Gepaart mit photonischen Sensoren (Lidar, On-Chip-Spektrometer) zeichnen sie das Bild autonomerer Fabriken, in denen die Rechenleistung direkt an der Maschine liegt.
Für Automatisierungsprofis ist die Botschaft eindeutig: Optisches Rechnen ersetzt die Elektronik nicht sofort, wird aber zu einem strategischen Partner. Wer heute in Photonik-Integration, elektro-optisches Design und hybride Architekturen investiert, bereitet sich auf eine Zukunft vor, in der Geschwindigkeit, Energieeffizienz und Parallelität ebenso wichtig sind wie die Robustheit einer SPS. Die Kombination aus Materialkenntnis, optischem Design und Prozess-Know-how wird in der Ära der Automation 5.0 den entscheidenden Wettbewerbsvorteil schaffen, wenn Photonen und Elektronen gemeinsam die Leistungsgrenzen der Industrie weiter hinausschieben.